Am 16.10.19 sind wir auf der K-Messe in Düsseldorf mit polymore live gegangen. Die polymore-Führung über Erfolge, Herausforderungen und "lessons learned".

Josef Art, Business Director

Jörg Wittgrebe, Head of Sales

Michael Hilger, Head of Product and Development

Wie kam es zu der Idee „polymore“?

Josef Art: Bei KraussMaffei hat man sich die Frage gestellt, mit welchen Produkten sich über den Maschinenbau hinaus ein Mehrwert für Gesellschaft, Verbraucher, Gesetzgebung und am Ende eben auch für die Kunststoffindustrie generieren lassen. Überlegungen, in welcher Hinsicht sich die Gesellschaft und auch unsere Arbeitsweisen verändern werden, waren letztendlich die Geburtsstunde unseres plattformbasierten Marktplatzes für nachhaltigen Kunststoffhandel.

Wann seid ihr in das Projekt eingestiegen? Was war eure Motivation?  

Josef Art: Ich habe im September 2019, also kurz vor dem Go-Live, die Verantwortung für polymore übernommen. Nach 22 Jahren in der Industrie fand ich die Idee sehr spannend, in einem für mich neuen, digitalen Umfeld zu arbeiten und ein völlig neues Geschäftsmodell aufzubauen.

Jörg Wittgrebe: Nach einigen spannenden Jahren für Krauss Maffei in China bekam ich die Möglichkeit, mit polymore ein Unternehmen von Beginn an aufzubauen. Da fiel mir die Entscheidung für polymore leicht. Außerdem fand ich das Thema „digitale Plattform für die Kunststoffindustrie“ ab dem ersten Moment sehr interessant.

Michael Hilger: Ich bin von Beginn an, also, seit 1. Oktober 2018, dabei. polymore  war zu der Zeit noch als Projekt aufgesetzt.  Meine Motivation war es, an etwas Neuem mitzuwirken, das Potential für Veränderung hat. Den Aufbau eines Corporate Start-ups von Grund auf zu begleiten, hat es mir außerdem ermöglicht, mein gerade begonnenes MBA & Engineering-Studium mit praktischen Inhalten zu verbinden.

Seid ihr euch als Führungsmannschaft immer einig?

Josef Art: Nein, natürlich nicht. (lacht) Wäre ja langweilig, oder? Wir challengen uns gegenseitig. Und aus vielen unterschiedlichen Perspektiven lassen sich am Ende auch einfach die besten Ideen und Wege zur Umsetzung generieren.

Jörg Wittgrebe: So ist es. Jeder von uns kommt aus seinem ganz eigenen Fachgebiet und bringt entsprechendes Background-Wissen und eine gewisse Erwartungshaltung mit. Die Kunst liegt nun darin, aus dem Vollen zu schöpfen und das Wissen aus diesen einzelnen Fachbereichen sinnvoll miteinander zu verknüpfen, um die optimalen Lösungen zu finden.

Michael Hilger: Ich denke auch, wir haben alle unsere Stärken und Schwächen. Es geht dabei aber nicht um das Individuum, sondern um das große Ganze, um den Erfolg des Corporate Start-ups. Und da haben wir ja auch den gleichen Fokus: Unsere Kunden und deren Bedürfnisse stehen klar im Vordergrund, denn für sie ist polymore gemacht.

Josef, aus Sicht der Kunden - was macht polymore einzigartig?

Josef Art: Das ist sowohl die Kombination aus Kundenzentriertheit, Unabhängigkeit von einzelnen Materialherstellern und Branchenverankerung bzw. Rückhalt durch KraussMaffei, als auch die Materialexpertise und das Digitalisierungswissen. Wir sind keine typische „Plattform“, wie man sie häufig kennt und wie sie zu Hauf entstehen und viel Werbung machen. Bei uns steht das Realisieren von Geschäftsverbindungen und damit der monetäre Kundennutzen im Mittelpunkt –bequem, effizient, europaweit, effektiv. Nahe am Kunden, persönlich, menschlich und dennoch digital.

Michael, du zählst ja quasi zum Urgestein des polymore-Führungsteams. Welche Herausforderungen oder „pain points“ gab es denn zu Projektbeginn?

Michael Hilger: Eigentlich hatten wir am Anfang tatsächlich alle große Fragezeichen im Kopf. Wir hatten ja keinerlei Erfahrung mit einem solchen Projekt und uns deshalb externe Unterstützung geholt. Da drehte sich erst mal alles um drei Kernthemen: „Viability“ - lässt sich aus dem Ganzen eine profitable Lösung mit einem nachhaltigen Geschäftsmodell erzeugen?, „Desirability“ - ist es das, was die Kunden wirklich brauchen und wollen? „Feasibility“ - kann das Projekt mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen und dem vorhandenen Know-How realisiert werden? Es vergeht auch heute noch kaum ein Tag, an dem wir nicht etwas Neues dazu lernen. Genau so soll es sein!

Würdet ihr sagen, ihr konntet alle Herausforderungen erfolgreich meistern?

Josef Art: Aus meiner Sicht haben wir eine enorme Marktaktivierung von deutlich über 80.000t an Anfragen geschafft. Ich bin sehr zufrieden damit, dass wir aktuell Materialanfragen für Jahresvolumen von 4.000 t operativ in Testphasen bei Kunden auf der Anlage haben - hauptsächlich in Deutschland und Italien. Was wir allerdings unterschätzt haben, sind Dauer und Energie, die aufgewendet werden müssen, bis das Material dann auch tatsächlich in der Serie eingesetzt wird. Aber auch hier arbeiten wir schon an Lösungsideen, wie z.B. Standardisierung, weitere Automatisierung, KI, u.v.m.

Michael Hilger: Wir haben einige gemeistert aber sicherlich noch nicht alle. Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen und haben noch viel vor. Das dauert einfach. Aber wir haben ein super Team und ich freue mich auf alles, was da noch vor uns liegt und bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Jörg Wittgrebe: Wir haben schon viele gemeistert, aber noch nicht alle. Es ist noch ein langer Weg bis wir in allen Köpfen drin sind und die breite Akzeptanz im Markt bekommen. Es gibt noch viel Zurückhaltung beim Thema „digitales B2B-Geschäft“. Allerdings sehen wir, dass sich die Vorbehalte schnell auflösen, sobald Kunststoffverarbeiter oder –anbieter begonnen haben, mit uns zu arbeiten. Aber ja, es geht nicht so schnell, wie wir es uns gewünscht hätten.

Jörg, von den drei polymore Führungsköpfen bist du derjenige, der schon am längsten Teil der KraussMaffei-Familie ist. Wie unterscheidet sich die Arbeitsweise von einem großen Corporate und einem Corporate Start-up?

Jörg Wittgrebe: Es ist schon sehr anders. Wobei ich in den letzten 4 Jahren ja schon im „China Speed“ gearbeitet habe. Der größte Unterschied ist aber, dass es keine vorgetrampelten Wege gibt. Wir leisten echte Pionierarbeit, beschreiten jeden Weg zum ersten Mal und machen unsere Erfahrungen. Im Corporate werden Misserfolge gerne negativ belächelt. Bei uns werden diese in täglichen, kurzen aber intensiven Meetings analysiert und als Chance gesehen. So können wir sehr schnell reagieren und bei Bedarf den Kurs anpassen.

Und was ist mit den Sitzsäcken und der Tischtennisplatte? Office-Dog? Habt ihr sowas, so als waschechtes Start-up?

Josef Art: Sitzsäcke, helle und inspirierende Räumlichkeiten schon. Tischtennis leider nicht.

Jörg Wittgrebe: Ich darf meinen Hund nicht mitbringen. Ich stimme aber zu, jedes ordentliche Start-up bräuchte einen Office-Dog.

Michael Hilger: Dann führen wir das doch ein. Du bringst deine Marla mit und ich meine Greta. Dann haben wir eben zwei Office-Dogs.

Und wie spielt polymore nun im operativen Geschäft mit dem Maschinenbau von KraussMaffei zusammen?

Josef Art: Beide Themenfelder wachsen nach und nach zusammen. Sowohl mit polymore, als auch mit den Maschinenlösungen beeinflussen wir den größten Kostenblock unserer Kunden: die Materialkosten pro Bauteil. Und ganz operativ tauschen wir uns laufend in Bezug auf Vertriebsaktivitäten, Marketing, Materiallösungen, Maschinen- und Prozessideen und auch bei der einen oder anderen technischen Fragestellung intensiv aus. Dieser Dialog schafft Verständnis und daraus entstehen gerade ganz aktuell Projekte, die unseren Kunden wieder einen zusätzlichen, deutlichen Mehrwert schaffen werden.

Jörg Wittgrebe: Wir profitieren bereits stark von der Kombination polymore und KraussMaffei und dennoch haben wir noch viel mehr Potenzial. Aber wie Josef schon sagt, setzen wir hierzu gerade ein paar Ideen um, zu denen ich aktuell noch nichts sagen möchte.    

Michael Hilger: Veränderungen brauchen ihre Zeit. Es gibt wie bei jedem Veränderungsprozess aufgeschlossene, aber auch kritische Stimmen. KraussMaffei hat sich entschieden, einen neuen Weg zu gehen und wir müssen uns das Vertrauen erst erarbeiten.